Die Doktrin des Nichtwissens

zusammengefasst nach A. Alston: A Shankara Sourcebook in 6 Volumes, London, Shanti Sadan, 2004 

Die Natur des Nichtwissens

Shankaras Lehre des Nichtwissens kann etwa in folgendem Satz zusammengefasst werden:

„Dies Universum der Vielfalt ist wahrhaftig eine Illusion. Die Wirklichkeit ist das undifferenzierte Absolute und Ich bin Das. Der Beweis dafür sind die Upanishaden, die großen Lehrer, die die Wahrheit der upanishadischen Lehre verwirklicht haben und die eigene persönliche Erfahrung.“ (Gaudapadam Karika bhasya II, 32)

Die Advaita Tradition interpretiert die Veden so, dass der Mensch seiner wahren Natur nach identisch mit dem einen Geist ist, der alles aufrecht erhält und der unendlich, ewig, erhaben über alle Unterschiede und Veränderlichkeit, jenseits aller Begrenztheit und des Leidens, und der Natur nach perfekter Frieden ist. Es ist Unwissenheit oder Nichtwissen (avidya), die diese Wahrheit verdunkelt und den Menschen auf die Ebene eines handelnden, leidenden Individuums reduziert und vor ihm eine Welt der Vielfalt und Illusion, einen Abgrund von Veränderung, Begrenztheit und Leiden ausmalt und die ihn im Rad der Wiedergeburt (samsara) hält. 

Aus dem ursprünglichen Fehler, die wahre Natur des Selbst wahrzunehmen, entstehen falsche positive Konzepte in derselben Weise, wie aus der fehlerhaften Wahrnehmung der wahren Natur eines Seiles irrtümliche Überlagerungen durch verschiedene Bilder entstehen, wie solche einer Schlange oder eines Stockes.

Nichtwissen ist der unmanifestierte Same früherer Aktivitäten und Erfahrungen aus vorangegangenen Weltzyklen, der sich teilweise in die manifeste Welt hinein entwickelt. Insofern ist diese Auffassung von Nichtwissen mit den Begriffen „Maya“, „Avidya“, „Prakriti“ und „Shakti“ synonym. Nichtwissen (avidya, ajnana) ist demnach eine Macht oder Kraft („Shakti“), die eine Transformation oder Evolution erfährt, um die Form der Objekte der Welt anzunehmen. Durch diese kosmische Kraft kommt es zur wechselseitigen Überlagerung von Selbst und Nicht-Selbst, durch welche die individuelle Seele sich als begrenzt und gebunden erfährt. Shankara sieht in Nichtwissen eher einen unerwünschten Zustand (avastha) oder eine Leidenschaft (klesha), die das Individuum befallen.

Wenn es daher ein empirisches Wissen oder ein Gefühl des „Ich“ oder „mein“ gibt, so können diese im Licht der endgültigen upanishadischen Wahrheit nur als durch Nichtwissen begründet bezeichnet werden. Wenn es Handlung und die begleitende Wahrnehmung gibt, dass das Selbst der Erfahrung moralischer Konsequenzen seiner Handlungen in der Zukunft unterliegt, so können diese nur dank Nichtwissen entstehen. Ebenso verdanken wir Verkörperung, Ausführung von Handlung, Bindung, die Kraft zur Erfahrung von Objekten, Sterblichkeit und die Neigung, Sinnes-Illusionen wahrzunehmen, lediglich dem Nichtwissen. In einem weiteren Sinne beruht das ganze Universum, selbst der Unterschied und die Erfahrung der Unterscheidung auf Nichtwissen. Dabei ist es nicht so, dass die aus dem Nichtwissen resultierenden Überlagerungen des Individuums von der Aktivität einer kosmischen Macht abhingen, die Ausdruck eines göttlichen Waltens sei. Im Gegenteil macht die gesamte Wahrnehmung einer objektiven Welt und eines göttlichen Kontrolleurs, der diese regiere, nur Sinn vom Standpunkt der Erlebens aus, das einem bestimmten Individuum im Wachzustand widerfährt und das selber ein Ergebnis von Überlagerung ist.

Nichtwissen besteht also lediglich in dem Fehler, das Selbst in seiner wahren Natur wahrzunehmen, mit der Folge der Überlagerung durch ein Nicht-Selbst, die wiederum zu der Unfähigkeit führt, das Selbst von dem überlagernden Nicht-Selbst zu unterscheiden.

Wenn „Vielfalt“ und „andere Seelen“ lediglich Illusionen sind, die vor einem unwissenden Individuum erscheinen, wo liegt dann Nichtwissen ? Shankara führt aus, dass es in Wahrheit kein Nichtwissen gibt, sondern nur die Tatsache, dass der fragende Schüler selbst persönlich nichtwissend sei. Das Selbst scheint nur getäuscht zu sein, und es scheint später nur befreit zu werden. Die Befreiung ist kein reales Ereignis, die eine reale Veränderung involvierte, die zu einem bestimmten Zeitpunkt stattfände. Ebenso können wir nicht sagen, das Nichtwissen sei irgendwie real oder dass das Selbst zwischen Bindung und Befreiung eine Wandlung durchmachte, als ob die letzten zwei getrennte reale Zustände seien. Derjenige, dem das „nicht-erwacht-Sein-zum-Selbst“ zukommt, ist der, der die Frage danach stellt. Der Erwachte sieht, dass in Wahrheit kein Nichtwissen irgendwo für irgend jemanden existiert. Erleuchtung zerstört nicht so sehr Nichtwissen als dass es enthüllt, dass dies niemals existierte. Das wahre innere Selbst kann nicht von Nichtwissen heimgesucht werden.

„Dies ‚das-Selbst-von-Allem-Sein’ ist der höchste Zustand des Bewusstseins des Selbst, Sein erhabener natürlicher Zustand. Wenn man sich jedoch vorher – sei es auch nur um Haaresbreite – anders als das Selbst von Allem wahrnimmt, ist dies der Zustand des Nichtwissens. Welche Bewusstseinszustände von der Natur des Nicht-Selbst auch immer vom Nichtwissen hergestellt werden, keiner von denen ist der erhabene Zustand. Verglichen mit diesen Zuständen ist das ‚Sein-des-Selbstes-von-Allem’, alles seiend, innerhalb und außerhalb, der höchste Zustand des Selbst. Wenn daher Nicht-wissen entfällt und das Wissen (knowledge) seinen Gipfel erreicht, dominiert das ‚Selbst-von-Allem-Sein’ und dies ist Befreiung.“ (Brhadaranyaka bhasya II.iv.14; IV.iii.20)

Nichtwissen als Nicht-Verstehen und falsches Verstehen

Für Shankara ist Nichtwissen ein kreisförmiger Prozess mit zwei Hauptphasen. Wenn Nicht-Verstehen oder Nicht-Unterscheidung der Wirklichkeit die erste Phase ist, so ist der positive Irrtum oder die Überlagerung die zweite. Letztere beinhaltet die Projektion der Welt der Phänomene des Nicht-Selbst, das die schmerzhafte Erfahrung von Geburt, Wachstum, Verfall und Tod in der Welt entstehen läßt. Die zweite Phase des Nichtwissens hat, vom Standpunkt des Wachzustandes aus gesehen, selber wiederum zwei Stadien: Ein unmanifestes „Samenstadium“ und ein manifestes „Fruchtstadium“. Keine der beiden hat irgendeine Realität vom Standpunkt der höchsten Wahrheit aus gesehen. Beide sind illusionär, Überlagerungen, unbewusste Projektionen, imaginative Konstruktionen. Sie stehen dem Selbst gegenüber, das sich als Reines Bewusstsein völlig von ihnen unterscheidet und unbeeinflusst ist.

Teilweise reduziert Shankara in seinem Kommentar zu Gaudapadas Karika Subjekt und Objekt der Erfahrung im Wachzustand zu bloßen Modifikationen des Geistes oder Bewusstseins, wodurch Objekten des Wachzustandes eine Existenz außerhalb des Geistes abgesprochen wird, vergleichbar der Sicht des Buddhismus. Tatsächlich jedoch war dies für Shankara lediglich eine vorläufige Darstellung für den Schüler auf dessen Weg.

Auf lange Sicht gesehen lehrte Shankara nicht, dass die Welt entweder innerhalb oder außerhalb des Geistes existierte, sondern, dass sie überhaupt nicht existierte.

„Es ist wie in der Welt, wenn ein Seil im Zwielicht nicht richtig als das erkannt wurde, was es ist und es erzeugte fälschlicherweise verschiedene Vorstellungsbilder mit dem Gedanken ‚Ist es eine Schlange ? Ist es ein Rinnsal von Wasser ? Ist es ein Stock ?’ und der Grund (die primäre Bedingung) ist die mangelnde Unterscheidung (die Nicht-Identifikation) der wahren Natur des Seiles. Wenn nämlich das Seil bereits seiner wahren Natur nach unterschieden worden wäre, hätte es keinerlei Imaginationen wie Schlange usw. gegeben. Niemand verfällt dem Zugriff irrtümlicher Urteile hinsichtlich der Finger seiner eigenen Hand ! … Hierdurch wird folgendes illustriert: Das Selbst wird nicht als Reines Bewusstsein und nonduales Sein identifiziert, verschieden von allen Übeln, die an dieser Welt mit ihren erfahrbaren Eigenschaften – beginnend mit Ursache und Wirkung – beteiligt sind. Im Endergebnis wird das Selbst vorgestellt als die unendliche Vielfalt von Geschöpfen wie die individuellen Seelen und das Kosmische Vitalprinzip (prana) usw. Das ist der letztendliche Aussage der Upanishaden.“ (Gaudapada karika bhasya II.17)

„Das Absolute, innerhalb und außerhalb, ist das „Ungeborene“, da es nichts geben kann, das eine Ursache seiner Geburt sein könnte. Denn Geburt hat, wie wir gesagt haben, ihre primäre Bedingung in Nichtwissen, wie bei „Seil und Schlange“. Und dieses Nichtwissen wird ausgelöscht durch das Erwachen zur Realität des Selbst. Von daher ist das „Ungeborene“ das „Nicht-Schlafende“. Schlaf ist – in diesem kosmischen Sinn – die anfangslose Illusion (Maya), ihrer Natur nach Nichtwissen (Ignoranz, avidya-laksana). Der Erleuchtete wurde aus seinen Träumen durch sein eigenes Selbst aufgeweckt, dessen eigentliche Natur Non-Dualität ist. Deshalb ist das Absolute das „Traumlose“. Denn sein Name und seine Form entstehen durch das seiner eigenen Natur nicht-wach-Sein. Sie werden zerstört wie im Beispiel „Seil-Schlange“, wenn es ein Erwachen zum Selbst gibt. Von daher kann das Absolute (brahman) nicht durch irgendeinen Namen gekennzeichnet werden, noch kann es irgendeine Form annehmen. Von daher ist es „namenlos und formlos“. Und es gibt solche vedischen Passagen wie ‚Vor welchem Worte zurückweichen usw.’.“ (Taittiriya Upanishad II.4.; Gaudapada karika bhasya III.36)

Selbst und Nicht-Selbst: Nicht-Unterscheidung und wechselseitige Überlagerung

Die irrtümliche Erkenntnis, die die Objekte der Welt entstehen lässt, ist vom Standpunkt des Wachzustandes aus gesehen ein selbst-perpetuierender Mechanismus ohne Anfang und Ende. Es gibt jedoch eine Überlagerung, die die Grundursache aller anderen (nachfolgenden) darstellt, und das ist die Verwechslung des Selbst mit dem Nicht-Selbst, durch die der empirisch Erfahrende selbst Existenz annimmt. Wenn die klare Unterscheidung zwischen Selbst und Nicht-Selbst erst einmal hergestellt werden kann, stellt sich das erfahrende Individuum als solches als nicht existent heraus. 

Zunächst überlagert man das innerste Selbst – den Zeugen von allem – mit der Ego-Idee; nachdem man das getan hat, fährt man wechselseitig fort und überträgt das innerste Selbst – den inneren Zeugen – auf das innere Organ, den Geist, und andere Bereiche der begrenzten Persönlichkeit. Diese „natürliche“, d. h. nicht verursachte Überlagerung, die ohne Anfang und Ende ist, ist ihrem Wesen nach eine falsche Voraussetzung und Annahme; sie ist der Ursprung von Handlung und Genuss und ist jedem direkt vertraut.

Die spezielle und eigentümliche Natur der Überlagerung von Selbst und Nicht-Selbst wird von Shankara anhand einer subtilen Beweisführung analysiert. Während im Falle einer irrtümlichen Wahrnehmung (z. B. in der Dämmerung einen Pfahl für einen Menschen halten) ein einfacher Akt intellektuellen Unterscheidens den Irrtum korrigiert, ist zur Beseitigung der fundamentalen Überlagerung, die das Individuum in die Welt empirischer Erfahrung wirft, die gesamte vedantische Disziplin erforderlich. Dies dürfte der Neo-Advaita-Szene nicht schmecken, verführen doch die meisten dieser weder – im Sinne des Advaita-Vedanta – erleuchteten noch qualifizierten Lehrer eher zu einem nicht-advaitischen „Nichts-Tun“ (als sei „ja alles schon da“) als zu spirituell aktiver und nachhaltiger Disziplin, die nach Shankara für die Realisierung der höchsten Wahrheit unabdingbar ist.

Die Nicht-Unterscheidung zwischen Selbst und Nicht-Selbst ist der die empirische Erfahrung ursprünglich bedingende Faktor; daher ist die Unterscheidung des Selbst vom Nicht-Selbst das Ziel der Advaita-Disziplin.

Die Theorie des Nichtwissens ist nichts weiter als selber eine Erweiterung des Nichtwissens, ein Traum in einem Traum. Man ist jedesmal Opfer der Überlagerung, wenn man versucht, sie kausal zu erklären. Kausale Erklärungen haben einen pragmatischen Wert darin, dass sie den Schüler gegen die Attraktivität nicht-upanishadischer Weltanschauungen oder falsch aufgefasster Interpretationen der Upanishaden schützen. Aber am Ende ist jede Theorie des Nichtwissens selber Nichtwissen, und Nichtwissen ist rational nicht erklärbar.

„So überlagert man zuerst das innerste Selbst – den Zeugen von Allem – mit der Ego-Vorstellung. Und dann, nachdem man das getan hat, schreitet man entgegengesetzt fort und überlagert das innere Organ (den Geist) und die anderen Elemente (der begrenzten Persönlichkeit) mit dem innersten Selbst. Diese „natürliche“, das heißt unverursachte Überlagerung ohne Anfang und Ende, die ihrer Natur nach eine falsche Voraussetzung darstellt und den Beginn von Handeln und Genuss markiert, ist jedem unmittelbar vertraut. Und die gesamte upanishadische Lehre wurde begonnen um Wissen der einzigen Realität des einen Selbst zu kommunizieren und auf diese Weise der Überlagerung – der Ursache allen Übels – ein Ende zu setzen.“ (Brahma Sutra bhasya I.i.1, Einführung)

Shankara war der Überzeugung, dass empirische Erfahrung im Grunde nicht rational erklärbar war: 

„Aus der Verbindung eines Objektes mit Licht, mit der Fähigkeit zu sehen, mit dem Geist in seinen niedrigen und höheren Aspekten und mit dem Selbst entsteht eine unerklärliche Erkenntnis im Geist, die der Natur nach Nichtwissen ist. Man sollte lernen, das eigene Selbst von dieser unerklärlichen Erkenntnis zu unterscheiden und die höchste Realität in ihrer reinen Form erkennen, das Zeuge-Sein, gegenwärtig in allen Wesen, überall dasselbe, jenseits aller Furcht und Gefahr.“ (Upadesha Sahasri, XV. 35, 36)

Der Standpunkt des Nichtwissens und der Standpunkt des Wissens

Shankaras Lehre der Unterscheidung zwischen zwei Standpunkten, dem des Nichtwissens und dem der letztgültigen Wahrheit gilt nur – wie jede andere Lehre oder Unterscheidung – vom Standpunkt des Nichtwissens aus. Aber der Schüler selbst, an den sich die Upanishaden richten, besetzt diesen Standpunkt (des Nichtwissens), sonst könnte er sie nicht einmal hören. Sie zu hören hat zum Ziel, zu einem neuen Standpunkt aufzuwachen, und zwar dem Standpunkt des Wissens.

So lange wir uns im Reich des Nichtwissens befinden, so lange wir uns als individuell Handelnde und Erfahrende wahrnehmen, sind wir im Bereich, in dem sich die Gültigkeit anerkannter Mittel des Wissens auf äußere Objekte stützt. Dies ist ein Reich der Vielfalt, dessen Ordnung und Harmonie sich nur durch Rückgriff auf das Prinzip eines inneren Herrschers erklären lässt, einer göttlichen lenkenden Kraft, die die Entfaltung der Samen zukünftiger Erfahrung – Überbleibsel der Handlungen lebender Geschöpfe – überwacht. Aber was wir im Zustand des Nichtwissens für „den Herrn“ (den persönlichen Gott) oder den „inneren Herrscher“ halten, ist tatsächlich das Absolute, wie es dem mit Nichtwissen geschlagenen Individuum erscheint, das nicht realisiert, dass das Absolute nichts anderes als sein eigenes wahres Selbst ist. Vom Standpunkt der Erleuchtung und der letzten Wahrheit aus gesehen verliert der Herr (Gott) Seine Qualität der Herrschaft. Er erweist sich einfach als das eigene Selbst in seiner wahren Natur. 

Jene upanishadischen Texte, die alle endlichen Qualitäten des Selbst in seiner wahren Form verneinen, stehen nicht im Widerspruch zu denen, die ihm endliche Wesenszüge zusprechen oder von ihm als „dem Herrn“ sprechen. Denn diese kleine Gruppe von Texten spricht vom Standpunkt des Wissens aus, während die größere Gruppe vom Standpunkt des Nichtwissens aus spricht.

„So ereignet sich auf der Basis der Unterscheidung trügerische empirische Erfahrung sowohl im Fall derjenigen, für die eine andere Realität als das Absolute existiert als auch derjenigen, für die dies nicht der Fall ist. Aber wenn jene, die vom Standpunkt der letzten Wahrheit sprechen, sich wirklich engagieren, die Welt empirischer Erfahrung im Licht der Upanishaden zu untersuchen, um zu sehen, ob sie wirklich existiert oder nicht, so legen sie ein für alle Mal fest, dass das Absolute allein existiert, eines ohne ein zweites, und dass es gänzlich bar jeder Subjekt-Objekt-Erfahrung ist.“ (Chandogya Upanishad VI.ii.1; Brhadaranyaka II.v.19; III.viii.8)

„So entspricht der Herr (Gott) den äußeren Attributen, bestehend aus Name und Form, entstanden durch Nichtwissen….Und im Reich menschlicher Erfahrung herrscht er über die als individuelle Seelen (jiva) bezeichneten bewussten Wesen, die in Wahrheit nichts anderes als er selbst sind, jedoch die Begrenzungen von Körper, Geist und Sinnesorganen annehmen in demselben Sinn, wie Raum die Begrenzungen von Töpfen annimmt, in denen er eingeschlossen ist. Aber Körper, Geist und Sinnesorgane resultieren aus Name und Form, die durch Nichtwissen entstehen. Von daher existieren „Herrschaft“ des Herrn ebenso wie sein Allwissen und seine Allmacht lediglich in Beziehung zu äußeren Attributen, die ihrem Wesen nach Nichtwissen sind. Vom Standpunkt der letzten Wahrheit kann keine Rede von irgendeinem Gegensatz zwischen einem Herrn und seinen Untertanen oder von Allwissenheit und anderen Eigenschaften im Selbst sein, in dem alle externen Attribute von Natur aus durch Wissen (knowledge) ausgelöscht sind.“ (Brahma Sutras II.i.13)

© 2022 Anke Beumann